Kuratorin
Curator
Julia Gutweniger

Den Blick auf Dinge zu schärfen, ist einer meiner Lieblingsvorgänge. Ein Prozess, der sich im wörtlichen,vor allem aber im übertragenen Sinn unweigerlich in meiner künstlerischen Arbeit vollzieht. Intensive Projekte bringen es mit sich, dass man den Blick auf Dinge schärft, einen Fokus hat, Querverbindungen sucht, etwas sieht, das man sonst nicht beachten würde ( … )

Das ist dann meist etwas, das bleibt und nachhallt – oft lange über die Projektdauer hinaus. In den vergangenen Monaten galt mein Fokus dem Kuratieren einer Ausstellung, die seit über zwanzig Jahren gestaltet wird: der BestOff-Jahresausstellung der Kunstuniversität Linz. Einer Ausstellung, die jährlich im Herbst einen Fixpunkt markiert, den Auftakt zum neuen Studienjahr bildet und an der ich selbst als Studentin teilnehmen konnte.

Um diesem Ausstellungsformat gerecht zu werden, war es mir in meiner Herangehensweise wichtig, den Arbeiten der Studierenden mit Neugier und Ernsthaftigkeit zu begegnen, ein reflektiertes, tolles Team aufzustellen und eine vielseitige, offene Jury zu finden, die sich ihrer Aufgabe ebenfalls mit Sensibilität und Wertschätzung widmet. All das war nicht nur eine intensive Zeit, sondern hat auch sehr viel Spaß bereitet. Unser Blick war bereits bei der Sichtung der vielen Einreichungen ein suchender: nach Schnittmengen, Fragmenten, Verbindungen, Fragestellungen, sich herausbildenden Schwerpunkten. Ähnlich ist auch der durchlebte Prozess während des Kunststudiums oft von einer suchenden Haltung geprägt – was in vielen der gezeigten Arbeiten sehr präsent und spürbar wird. Auch der diesjährige Katalog sucht das Fragmentarische und die Verbindungen – die einzelnen Exemplare wurden vom BestOff-Team mit handgefertigten Widmungen versehen: einer zeichnerischen Notiz zu jeder der Arbeiten, die als Teilausschnitte mittels Originalsiebdruck auf jeden einzelnen Katalogeinband übertragen wurden. Beim Kuratieren dieser Ausstellung sah ich mitunter Parallelen zu meinem filmischen Arbeiten, wo bei der Montage eines Films viele kleine Episoden das große Ganze ergeben, wo eines zum anderen führt, Assoziationen entstehen und der Blick immerzu aufs Neue geschärft werden muss. Mein Ansatz war es, die ausgewählten Arbeiten miteinander in Dialog treten zu lassen, einander gegenüberzustellen, eine Dramaturgie zu finden. Den Blick für die leisen Zusammenhänge zu schärfen. Fragen zu stellen, ohne zu behaupten, die Antworten zu kennen. Eine Bühne zu geben, den Vorhang zu öffnen.

Das östliche Brückenkopfgebäude der Kunstuniversität zeigt bei der diesjährigen BestOff einen Querschnitt aus entstandenen Arbeiten der Studierenden, in einem räumlichen Querschnitt seiner selbst und bietet auf mehreren Etagen Raum für 45 künstlerische Positionen. Die Entstehung der Gebäude zeugt von erschütternden Kapiteln unserer Geschichte, was vor allem im Untergeschoß spürbar wird: Nicht wenige der gezeigten Werke stellen Verbindungen zu anderen Ländern und (Kriegs-) Realitäten her, sind persönlich, stellen Fragen, suchen, sprechen an, sind ehrlich und echt.

Dabei sind die Arbeiten ebenso unterschiedlich und vielfältig wie die Räume, in denen sie präsentiert werden: White Cube – Foyer – die Treppe hinunter – Kellergeschoß – Labyrinth. Die BestOff lädt dieses Jahr dazu ein, unter die Oberfläche zu gehen. In die Tiefen der Kunstuniversität einzutauchen, da und dort den Kurs zu wechseln, sich zu verlieren, sich neu zu orientieren, Perspektiven zu finden und dabei den Blick zu schärfen und zu öffnen.

Was ist es, das bleibt?
Das Absetzen des Pinsels, das Prozesshafte,
das Suchen, Experimentieren,
Sich-Exponieren, Trauer, Wut, ein erster
Entwurf, ein Werkstück, das so stehen
bleiben kann. Eine flüchtige Idee, ein
durchdachtes Konzept, leise und laute
Arbeiten, Material, Nähte, Notizen,
grobkörnig, feinkörnig, Radiergummibrösel.
Lücken lassen, Bilder auslösen,
Gedankensprünge, kein Anspruch auf
Vollständigkeit. Gerade deshalb so
wertvoll – Vorhang auf.

Honing my gaze on things is one of my favourite processes – a procedure that inevitably takes place in my artistic work, both literally and, above all, figuratively. Intense projects require you to hone your eye, to focus, to look for connections, to see something you would not otherwise notice ( … )

This is usually something that stays with you and resonates – often long after the project is over. In recent months, my focus has been on curating an exhibition that has been in the making for over twenty years: the BestOff annual exhibition at the University of Arts Linz. An exhibition that marks a fixed point in the autumn calendar and kicks off the new academic year, and in which I myself had the opportunity to participate as a student.

In order to do justice to this exhibition format, it was important to me to approach the students’ work with curiosity and seriousness, to put together a great, thoughtful team, and to find a diverse, open jury that would also approach its task with sensitivity and appreciation. All of this not only made for an intense time, but was also a lot of fun. When reviewing the many submissions, we were already on a quest: searching for intersections, fragments, connections, questions, emerging focal points. Similarly, the process of studying art is often characterised by a searching attitude – which is very present and palpable in many of the works on display. This year’s catalogue also seeks out connections and the fragmentary – the individual copies are dedicated by hand by the BestOff team: a hand-drawn note on each of the works, which has been transferred as a partial excerpt to the cover of each individual catalogue by means of original screen printing.

When curating this exhibition, I saw parallels to my work on films, where in the montage of a film many small episodes make up the big picture, where one thing leads to another, associations arise, and my gaze must constantly be honed. My approach was to let the selected works enter into dialogue with each other, to juxtapose them, to find a dramaturgy. To hone the gaze to notice subtle connections. To ask questions without claiming to know the answers. To provide a stage, to open the curtain. In this year’s BestOff, the Brückenkopf Ost building of the University of Arts Linz is the venue for a cross-section of works by students in a spatial cross-section of itself, offering space for the forty-five artistic positions on several floors. The building’s origins bear witness to a harrowing chapter in our history, which is particularly evident in the basement: Many of the works on display establish connections to other countries and (war) realities, are personal, ask questions, seek answers, speak to us, are honest and genuine. The works are as diverse and varied as the spaces in which they are presented: White Cube – foyer – down the stairs – basement – labyrinth. This year, BestOff thus invites you to go beneath the surface. To dive into the depths of the art university, to change course here and there, to lose yourself, to reorient yourself, to find new perspectives and, in the process, to hone your gaze and open your eyes.

What is it that remains?
The setting down of the brush,
the process, the searching,
experimenting, exposing oneself,
grief, anger, a first draft, a piece
of work that can stand for itself.
A fleeting idea, a well-thought-out
concept, quiet and loud works, material,
seams, notes, coarse-grained,
fine-grained, eraser crumbs. Leaving
gaps, triggering images, leaps of
thought, no claim to completeness.
That’s what makes it so valuable –
curtain up.

Julia Gutweniger ist freischaffende Künstlerin in den Bereichen Malerei, Grafik und Film. 2007–2015 Studium der Malerei und Grafik an der Kunstuniversität Linz. Seit 2018 künstlerische Lehre im Feld der Druckgrafik an der Kunstuniversität Linz, seit 2023 Senior Artist in der Malerei & Grafik Siebdruckwerkstatt. Ausstellungen und Projekte im In- und Ausland. Filmische Arbeiten im Regie-Duo Villa Mondeo gemeinsam mit Florian Kofler; ihre Filme wurden auf zahlreichen internationalen Filmfestivals prämiert und ausgezeichnet.

Julia Gutweniger works in the fields of painting, drawing, printmaking and film. 2007–2015 Studies of Fine Arts at the University of Arts Linz. Since 2018 teaching printmaking, since 2023 senior artist in the Painting & Graphic Art Silk Screen Printing Workshop at the University of Arts Linz. Works as a filmmaker and cinematographer in the directing duo Villa Mondeo together with Florian Kofler; their films have received awards at numerous international film festivals.

Jurymitglied
Jury Member
Anna Spanlang

„Es war super: Eine intensive, kurzweilige Reise durch rund 140 Ideen und ihre Umsetzung. Mut, Tiefe, Experimentierfreude, Wut, Liebe, Innovation, Charakter, Bewegung, Unterbrechung, Kontroverse – und noch so viel mehr. Danke Kunst!“

‘It was great: an intense, entertaining journey through roughly 140 ideas and their implementation. Courage, depth, a willingness to experiment, anger, love, innovation, character, movement, disruption, controversy – and so much more. Thank you, art!’

Jurymitglied
Jury member
Georg Pinteritsch

„Ich glaube ja, dass Kunst im Allgemeinen nicht bewertet werden kann, aber seltsamerweise ist genau das die Aufgabe einer Jury. Für mich war es spannend, einmal an so einem Prozess teilzunehmen und zu sehen, wie absurd es ist, über solche Dinge entscheiden zu müssen. Ich hoffe, niemand ist allzu enttäuscht, dass er nicht dabei ist. Ich glaube, es ging darum, wie gut die Dinge, die wir ausgewählt haben, zueinander passen könnten. Aber das bedeutet eigentlich nichts. Ich war sehr überrascht, wie sehr mir viele der Werke gefallen haben. In den letzten Jahren hat sich einiges verändert.“

‘I believe that art in general cannot be evaluated, but, strangely enough, that is precisely the task of a jury. It was exciting for me to participate in such a process and see how absurd it is to have to make decisions on such things. I hope no one is too disappointed that they were not included. I think it was about how well the things we selected would fit together. But that doesn’t really mean anything. I was very surprised by how much I liked many of the works. A lot has changed in recent years.’

Jurymitglied
Jury Member
Anna Breit

„Als Jurorin Teil der diesjährigen BestOff-Jury zu sein, war für mich eine neue Erfahrung, die mich durch die Vielfalt und Qualität der Einreichungen bereichert hat. Ich danke allen Künstler*innen, die ihre Arbeiten mit uns geteilt haben: Arbeiten zu machen und zu zeigen, erfordert Mut, und dafür möchte ich meine besondere Wertschätzung aussprechen. Ich wünsche allen Beteiligten alles Gute für ihren weiteren Weg.“

‘Being part of this year’s BestOff jury was a new experience for me, one that enriched me as a result of the diversity and quality of the submissions. I would like to thank all the artists who shared their work with us: Creating and showing work requires courage, and I express my special appreciation for that. I wish everyone involved all the best in their future endeavours.’

Jurymitglied
Jury Member
Lotte Schreiber

„Die nahezu durchgehend hohe künstlerische Qualität der Arbeiten der Studierenden hat die Jury vor einen ebenso herausfordernden wie
spannenden und intensiven Auswahlprozess gestellt.“

‘The consistently high artistic quality of the students’ work presented the jury with a challenging, exciting, and intensive selection process.’

Kuratorische Assistenz
Curatorial Assistant
Ophelia Pauline Reuter

„Anfangs war es ein vorsichtiges Herantasten an die künstlerischen Positionen, ein erstes sensitives Begegnen. Daraus entwickelte sich ein tiefes Eintauchen, ein genaues Hinhören und Hineinspüren in die Werke – auf der Suche nach Berührungspunkten, Dialogen und Verknüpfungen. Im Austausch mit Julia Gutweniger wuchs mein Verständnis für die Ausstellung als Ganzes. In vielen Gesprächen, Überlegungen und konzeptionellen Entscheidungen wurde ich immer tiefer in die kuratorische Arbeit eingebunden, bis schließlich jedes Werk seinen Platz gefunden hatte – im Dialog mit den anderen und in Resonanz mit dem Raum.“

‘At first, it was a cautious approach to the artistic positions, an initial, sensitive encounter. This developed into a deep immersion, precise listening, and feeling my way into the works – in search of points of contact, dialogues, and connections. In exchange with Julia Gutweniger, my understanding of the exhibition as a whole grew. Through many conversations, reflections, and conceptual decisions, I became more and more involved in the curatorial work, until each work finally found its place – in dialogue with the others and in resonance with the space.’

Katalogassistenz
Catalogue Assistant
Lara Rachbauer

„Nach dem Aufstehen – Kaffee und Kunst. Einen Monat lang durfte ich jeden Morgen in die weiten Gedanken-, Farb-, und Materialwelten der Studierenden eintauchen und mich mit den Themen beschäftigen, die sie in sich tragen und auf verschiedenste Weise künstlerisch exportieren. Es war faszinierend, rührend, aufwühlend und schön. Ich mag es, Worte für Dinge zu finden. Stunden verweilte ich über dieser Werkvielfalt, der Morgen wurde zum Nachmittag, die Kaffeetasse dreimal nachgefüllt, Emotionen säumten wie dichte Alleen das Schreiben.“

‘After getting up – coffee and art. For a month, I was able to immerse myself every morning in the students’ vast worlds of thoughts, colours, and materials and to engage with the themes they carry within themselves and express artistically in a wide variety of ways. It was fascinating, moving, stirring, and beautiful. I like finding words for things. I spent hours poring over this diverse collection of works, mornings turned into afternoons, my coffee cup was refilled three times, and emotions lined my writing like dense avenues.’

Technische Assistenz
Technical Assistant
Josepha Krüger

„Zwischen Kabeln und Konzepten, Planung und Praxis, Struktur und technischem Support begleite ich die BestOff in Organisation und Umsetzung. Von Technik und Materiallisten bis hin zur Koordination von Studierenden, Haustechnik und Veranstaltungsmanagement finde ich Lösungen, wo noch Fragen sind oder Dinge fehlen, und unterstütze beim Aufbau vor Ort. So helfe ich mit, dass Ideen nicht nur gedacht, sondern auch umgesetzt werden – und ihren Raum finden.“

‘Between cables and concepts, planning and practice, structure and technical support, I assisted BestOff with organisation and implementation. From technical and material lists to coordinating between students, building services, and event management, I found solutions where questions arose or things were missing, and provided on-site support during the set-up. In this way, I have helped ensure that ideas are not just thought up, but also implemented – and find their place.’